Zauberlehrlinge in Aktion

Risiken der Geothermie

Die Grenzregion zwischen der Schweiz und Deutschland – insbesondere das Umfeld von Basel – ist ein Erdbebengebiet. Der seit Millionen von Jahren andauernde Vormarsch der afrikanischen Platte nach Norden, der die Alpen aufgeschoben hat, wirkt auch heute weiter und erzeugt Spannungen in den tiefen Erdschichten. Davon zeugen die schweren Schadensbeben in der Römerzeit beziehungsweise im Mittelalter.

fredfmue64Die Alpen wurden durch ungeheure Kräfte im Untergrund aufgeschoben (Symbolbild)

Einen solchen Untergrund mit einem hohen Niveau an mechanischen Spannungen sollte man tunlichst in Ruhe lassen, solange man nicht genau weiss, was man durch Fracking – dem Aufspalten des Gesteins durch Einpumpen von Flüssigkeiten in Bohrlöcher unter hohem Druck – darin so alles auslösen kann. Dass dadurch in der Schweiz jetzt zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre ein Erdbeben ausgelöst wurde, sollte den Verantwortlichen in der Regierung eigentlich Warnung genug sein. Eine Technologie, deren Wirkungen nebst den zugehörigen Folgen so offensichtlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit beherrscht werden können, sollte nicht zum Einsatz gebracht werden. Erst vor wenigen Jahren war es ein Geothermieprojekt in der Region Basel, das ausser Kontrolle geriet und ein Erdbeben verursachte. Jetzt ist das Gleiche bei St. Gallen passiert. Berichten zufolge wurde das Beben ausgelöst, weil man unvermutet auf Gas gestossen war und die gefährlich gewordene Situation nur noch durch Notfallmassnahmen entschärfen konnte, was dann das Beben auslöste.

Das Schweizer Bundesamt für Energie (BFE), das im Rahmen seiner an den Zielen der „Grünen“ orientierten Energiestrategie seine Hoffnungen auch auf die Geothermie setzt, will den Vorfall offensichtlich herunterspielen. Laut einer Meldung auf Bluewin.ch vom 21.7.2013 sagte BFE-Sprecherin Marianne Zünd der Nachrichtenagentur sda, es sei zu früh, von einem Scheitern der Geothermie in der Schweiz zu sprechen. „Es gilt, die Analyse des Vorfalls abzuwarten. Erst dann können wir Aussagen über mögliche Auswirkungen machen.

Diese Haltung ist nicht angebracht. Ausgerechnet das Projekt in St. Gallen galt der Meldung zufolge als sicher, das Erdbebenrisiko als gering.

Schlechte Erfahrungen mit Geothermieprojekten hat man laut einer Spiegel online-Meldung auch in den nördlich der Schweiz gelegenen Bundesländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gemacht. In Landau hatte Mitte August 2009 die Erde gebebt – auch hier besteht der Verdacht, dass der Auslöser ein Geothermiekraftwerk am südlichen Stadtrand war.  Regelrecht katastrophal verlief ein Geothermieprojekt im südbadischen Staufen, wo man mit Erdwärme  heizen wollte. Dabei bohrte man eine Schicht mit einem Gestein an, das bei Zutritt von Wasser aufquillt. Schon kurz nach Beginn der Bohrungen taten sich in zahlreichen Häusern tiefe Risse auf.

Man kann daraus nur schliessen, dass die Politik sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz in ihrem Streben nach Energiewende um jeden Preis offensichtlich bereit ist, Risiken einzugehen, die wissenschaftlich alles andere als geklärt sind. Man kann nur froh sein, dass weder in Basel noch in St. Gallen grössere Schäden auftraten. Das ist jedoch nicht auf Können, sondern auf pures Glück zurückzuführen. Beim nächsten Mal könnte es auch anders ausgehen. Zudem liegen die Kosten für derartige Projekte im zweistelligen Millionenbereich. Es wäre dringend zu fordern, dass diese Herumbohrerei sofort gestoppt wird und erst dann wieder aufgenommen werden darf, wenn derartige Folgen mit völliger Sicherheit ausgeschlossen werden können.

Fred F. Mueller

Quellen:

http://tinyurl.com/kpd3by7  abgerufen am 21.7.2013

http://tinyurl.com/mtkjbrg  abgerufen am 22.7.2013

Zitate der Experten und Geologen zum Thema

Wissenschaftler zum Thema Erdbebenrisiken

„Mehr als 200 Starkbeben sind bereits menschlichen Aktivitäten geschuldet, hat der Geophysiker Christian Klose von der Columbia University in Palisades, USA, nach Informationen der Wochenzeitung „Die Zeit“ gezählt”. [KLOS]

“Pumping water underground at geothermal power plants can lead to dangerous earthquakes even in regions not prone to tremors, according to scientists. They say that quake risks should be factored into decisions about where to site geothermal plants”. [BROD]

“Another key feature of the research shows that sites experiencing sustained pumping of water into the ground for a period of decades or more are more susceptible to large tremors triggered by earthquakes occurring in other parts of the world”. [BROD]

“It is already accepted that when we have very large earthquakes seismic waves travel all over the globe, but even though the waves are small when they reach the other side of the world, they still shake faults. This can trigger seismicity in seismically active areas … But this is the first time the same has been recognised for areas with anthropogenically induced high fluid pressure”. [BROD]

„Das Basler Erdbeben bezeichnet eine Serie von gewaltigen Erdstössen, die Basel ab dem Nachmittag des Lukastages (18. Oktober) des Jahres 1356 in Trümmer legten. Die Intensität des Erdbebens wird nach den Schäden auf Stufe X (vernichtendes Erdbeben) der Modifizierten Mercalliskala geschätzt”. [WIKI]

„Das Erdbeben, das sich am 18. Oktober 1356 in der Gegend von Basel ereignete, ist das stärkste, das in historischer Zeit in Zentraleuropa dokumentiert wurde – Gruppe Erdbebenstatistik: ETH Zürich”. [WIKI]

„Die meisten Expertisen, die mitunter auf Basis von historischen Berichten und der Untersuchung der vorhandenen Schäden an Burgen verfasst wurden, schätzen die Stärke des Erdbebens auf 6.0–6.3 auf der Richterskala. Neuere Studien nennen aber auch höhere Werte, so zum Beispiel 2006 das GFZ 6.6, 2004 der Schweizerische Erdbebendienst 6.7–7.1 und 2002–2004 die PEGASOS-Studie des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats 6.0–7.0“. [WIKI] 

„«Dort, wo historisch Beben aufgetreten sind, werden sie wieder kommen,» sagt Donat Fäh vom Schweizerischen Erdbebendienst der ETH Zürich (SED). Das gelte auch für Basel. Die Stadt liegt am südlichen Ende des Rheingrabens, einer heute noch aktiven tektonischen Zone. Immer wieder bauen sich entstandene Spannungen ruckartig an Schwächezonen ab. Oft geschieht das in kleinen Schritten, die kaum zu spüren sind. Hin und wieder gibt es einen kräftigen Ruck – wie anno 1356“. [FAEH]

„…ein Beben derselben Stärke (wäre) für das heutige Basel verheerend. Da Ereignis von 1356 ist vergleichbar mit dem katastrophalen Erdbeben, das 1995 Kobe getroffen hat.… «Ein solches Beben würde heute in der Region Basel 1000 bis 20000 Tote (fordern)», sagt Fäh. «Allein (die) Gebäudeschaden würde bei rund 50 Milliarden Franken liegen“. [FAEH]

«In Basel hat sich in der Vergangenheit alle 2000 bis 2500 Jahre ein zerstörerisches Beben der Intensität IX ereignet», sagt Fäh. In den Jahrhunderten nach 1351 erlebte die Stadt ungefähr alle 50 bis 100 Jahre ein Schadensbeben der Intensität VI bis VII. Diese Serie endete im Jahr 1736. Seither ist die Region Basel relativ ruhig. «Vielleicht,» meint Fäh, «ist das die Ruhe vor dem Sturm.» [FAEH]

„Abschiebungsbeben treten in Zerrungsgebieten auf, z.B. entlang mittelozeanischer Rücken und kontinentaler Riftsysteme. Auch im Gebiet des Rheingrabens und der niederrheinischen Bucht werden Abschiebungsbeben beobachtet, z.B. das Roermond Erdbeben vom 13.4.1992 (ML = 5,9) in 18 km Tiefe”. [GEOD]

„Induzierte Seismizität wird durch vom Menschen verursachte Modifikationen des Spannungsfeldes und der Scherfestigkeit in der Erdkruste erzeugt. Erdbeben können durch Be- und Entlastungen an der Erdoberfläche und unter Tage im Bergbau, durch Einpressen von Flüssigkeiten in tiefe Bohrlöcher und durch unterirdische Explosionen induziert werden“. [GEOD]

„Laut Dieter Mayer-Rosa, Chef des Schweizerischen Erdbebendienstes an der ETH Zürich, entspricht das Beben einer Stärke, die „maximal im Verlauf von etwa 800 Jahren auftritt“….Zwar stuft der Seismologe die Wahrscheinlichkeit eines starken Erdbebens in der Region Basel global „eher im mittleren Bereich“ ein. Ganz anders aber beurteilt er das Risikopotential: „Da zählt Basel weltweit zu den zehn Städten mit dem höchsten Risiko. Man wird hier Basel und San Francisco in einem Atemzug nennen können.“…. Doch im Gegensatz zu San Francisco gibt es im Raum Basel – von einigen Bemühungen der Industrie abgesehen – weder generelle bauliche Vorkehrungen noch eine breite Verhaltensschulung der Oeffentlichkeit…..Statistisch noch 161 Jahre bis zum nächsten Beben“. [ONLI]

„Zusätzliches Unheil könnten nach Ansicht der Fachleute auch die zahlreichen Wehre am Hochrhein und der Staudamm des Schluchsees im benachbarten Schwarzwald anrichten: Wenn sie bersten, könnte es zu einer Flutwelle kommen, die ganze Hafenanlagen, Benzintanklager oder Pharmafirmen wegspült und letzte Fluchtwege abschneidet. Zudem käme es zu verheerenden Sekundärwirkungen auf die andern Rheinanliegerstaaten, wie Erdbeben-Kenner Mayer-Rosa glaubt: „Wenn beispielsweise Sandoz wegschwimmt, dann ist in Amsterdam der Teufel los“. [ONLI]

„Besonders schlimm“, so Frei, „wäre eine Kombination der verschiedenen Gefahrenherde. Dann könnte man Basel vergessen. Die Stadt würde aus Rentabilitätsgründen wohl nicht mehr aufgebaut.“ Es würde Jahre dauern, bis nur die verseuchten Trümmer entsorgt wären. Die Chemieindustrie zöge aus, um möglichst bald weiter produzieren zu können“. [ONLI]

„Die Gefahr für starke Erdbeben in den Kantonen Basel-Stadt und Wallis ist grösser als bisher angenommen. Das zeigt die neue Erdbeben-Gefahrenkarte der Schweiz….“Erdbeben stellen auch für die Schweiz ein erhebliches Risiko dar“, sagte SED-Leiter Domenico Giardini am Montag bei der Präsentation der neuen Schweizer Gefährdungskarte in Zürich….Die Schweiz sei in den vergangenen 30 Jahren zwar von schweren Erdbeben verschont worden, die Ruhe sei aber trügerisch, sagte Giardini…Die Geschichte zeige, dass man in der Schweiz mit starken Erdbeben rechnen müsse”. [RIAN]

„Bohrungen wie jene in der Schweiz reichen bis zu fünf Kilometer tief in den Boden. Ziel ist trockenes, mehr als hundert Grad heißes Gestein. Unter großem Druck wird Wasser hinunter gepumpt. Dadurch bilden sich Risse, die allmählich ein Warmwasser-Reservoir entstehen lassen. Das heiße Wasser gelangt durch weitere Bohrlöcher wieder an die Oberfläche, tritt als Wasserdampf aus und treibt Turbinen an, die Strom erzeugen. Die Abwärme lässt sich für Heizungen nutzen…..„Dieser Brute-Force Ansatz ist attraktiv und simpel“, schreibt der Direktor des Schweizer Seismologischen Instituts in Zürich, Domenico Giardini, im Journal „Nature“: „Der Nachteil ist: Er kann Erdbeben auslösen.“ Und zwar auch größere, nicht nur jene kleinen, die die Bohrung und das Erweitern des Reservoirs begleiten“. [RIBE]

„Der Kanton Basel-Stadt hatte nach (Hervorhebung hinzugefügt FFM) dem Beben eine Risikoanalyse in Auftrag gegeben, die jetzt vorliegt. Sechs Firmen hatten dazu Messdaten und Modelle ausgewertet: Demnach ist die Gefahr für Erdbeben und Gebäudeschäden bei Bau und Betrieb einer solchen Anlage zu groß. Die zu erwartenden Sachschäden seien „gemäß dem Maßstab der Störfallverordnung hinsichtlich der Häufigkeit des Auftretens und der Schadenssumme als nicht akzeptabel zu beurteilen“, bilanziert die Kurzfassung der seismischen Risikoanalyse“. [RIBE]

Das Bohrloch in St. Gallen ist abgedichtet. Nun beginnt die Suche nach den Ursachen des Erdbebens, das am Samstag durch Bohrungen in über 4000 Metern Tiefe ausgelöst wurde und zum vorläufigen Stopp des Geothermie-Projekts geführt hat. Bisher wurden 77 Schäden gemeldet….Die Schadenmeldungen reichten von heruntergefallenen und zerbrochenen Vasen über kaputte Autoscheiben, klemmende Tumbler-Türen bis zu Rissen in Fassaden, wie Roman Kohler, Mediensprecher der Stadt St. Gallen, zu einer Mitteilung vom Mittwoch sagte”. [STGA]

Quellen:

[BROD] http://tinyurl.com/jwbqba3   abgerufen am 23.7.2013

[FAEH] http://www.schulelaupen.ch/Erdbeben/erbeben%20basel1.pdf   abgerufen am 25.7.2013

[GEOD] http://www.geodz.com/deu/d/Erdbeben  abgerufen am 25.7.2013

[KLOS] http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-5943-2007-01-18.html  abgerufen am 25.7.2013

[ONLI] http://www.onlinereports.ch/Gesellschaft.112+M5dfbe3584c0.0.html   abgerufen am 25.7.2013

[RIAN] http://tinyurl.com/kwpnfch  abgerufen am 25.7.2013

[RIBE] http://tinyurl.com/mkwduxr  abgerufen am 25.7.2013

[STGA] http://tinyurl.com/nyenv2z  abgerufen am 24.7.2013

[WIKI] http://de.wikipedia.org/wiki/Basler_Erdbeben_1356   abgerufen am 25.7.2013

Siehe auch Beitrag:Ein paar Hintergrundinformationen zur Tiefengeothermie

 

1 Kommentar von "Zauberlehrlinge in Aktion"

  1. 26. Juli 2013 - 20:17 | Permalink

    Die Gefahren von Fracking müssen danach unterschieden werden, ob es in unter Spannung stehenden Schichten in hartem Granit für die Geothermie oder in weichem Muttergestein für die Erschliessung von Gas und Ölvorkommen eingesetzt wird. Fracking in Muttergestein ist in der Regel kaum erdbebenwirksam, weil diese Schichten weniger unter geologischen Drücken der Platentektonik stehen.

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